Brief einer Adoptantin

Patras

Eine schöne Hafenstadt. Die drittgrößte Stadt Griechenlands. Es riecht nach einer Mischung aus Meer und Kokos. Die Menschen sehen leicht aus. Sie sehen frei aus.

In ihren Gesichtern eine angenehme Farbe, ummantelt vom Lebensgefühl  Meraki. Übersetzt wird Meraki: Angenehmes leichtes Lebensgefühl.

Lange muss ich nicht danach suchen. An jeder Ecke finde ich es und es überträgt sich rasend schnell auf  mich. Ich sauge es auf und will es am liebsten nie wieder loslassen.

Montags, Mittwochs und Sonntagsnachmittags haben die Geschäfte geschlossen.
Die Verkäufer wollen schließlich baden gehen.

Ein Grinsen macht sich auf meinen Lippen breit. Ich stelle mir vor, wie wir das in Deutschland den Kunden erklären würden. Ich schlendere weiter durch die Stadt. Meine Augen und mein Körper hegen den sehnlichen Wunsch Hunde zu sehen. Streuner, die endlich in den griechischen Alltag integriert wurden, angenommen, geliebt. Selbstverständlich mit einem Halsband und einer Leine und einem echten Besitzer, denn dank der tollen Tierschützercommunity (Anna-Maria, Julia, Alexandra, Margerita, Vicky)gibt es in der Stadt keinen Streuner mehr, der dort allein herumirrt. Sollte dies doch mal vorkommen, wird er sofort eingesammelt und versorgt. Und das obwohl jeder dieser Tierschützer bestimmt selber mindestens 5 bis 70 ! Hunde beherbergt. Unersättlich wird dann gesucht, zur Not auch die ganze Nacht bis er aufgespürt ist.

Zurück zu meinen Streunern. Ich sehe 0. Dafür sehe ich :  2 Malteser, 1 Pointer,  1 Schäferhund mit Hüftproblemen, 1 Yorkshire Terrier und einige Mopsartige Wesen. Traurig senke ich meinen Blick. Wo sind denn alle Mischlinge hin? Die schönsten Hunde der Welt, unique – wie meine Freundin vor Ort sagt. Unique. Das klingt so schön.

Ich gehe an den Strand bei 45 Grad und wieder liegt da ein Schäferhund. Mit großen Augen sieht er mich an, als spüre er meine aufkommende Traurigkeit.

Neben mir auf der Decke : eine griechische Familie. Sie hat ein kleines Zelt mitgebracht. Ist es ein Kinderzelt? Nein: Es ist ein Hundezelt. Ein rosafarbener Trinknapf und Futter stehen für den Malteser bereit. Er hechelt und seine Haarspange wackelt im Takt. Sie lassen ihn sogar auf ihr Handtuch.

Immerhin. Vor Jahren noch waren Hunde am Strand nicht gern gesehen und nun werden einige (Rassehunde) als eine Art Familienmitglied gesehen und akzeptiert. Ein Fortschritt für das Land? Mir fällt spontan der Satz eines griechischen Mannes ein:
Streuner sind bei uns Abschaum. Dieser Satz macht mich wütend.

Als wir in die Dörfer fahren wird mein Wunsch nach Streunern gestillt. Leider. Schon mitten auf der Schnellstraße laufen sie. Einer hinkt hinten rechts. Die Zunge hängt gefühlt auf dem Boden.
Am Straßenrand ein toter Hund. Ich heule. Unter einer Brücke warten drei. Meine Freundin schaut zu mir rüber und sagt traurig: „Hier füttert Vicky. Sie sind versorgt, ich weiß…es tut mir leid…“

Versorgt? Ungeliebter Abschaum, hechelnd, bei 45 Grad, allein, an den Menschen nicht gewöhnt, den Menschen als Monster im Kopf habend,  traumatisiert, verletzt, wartend, hoffend, aufgebend.

Sie lassen mich nicht mehr los. Es sollte noch schlimmer kommen. In den armen Dörfern sehe ich sie: An Ketten, bei 45 Grad. Ohne Dach. Hechelnd. Dünn. Allein. Wachend. Hier gilt die Sage: Je hungriger sie sind, desto besser bewachen sie den Hof.

Ich möchte schreien. Katzen auf Mülltonnen nach Fischgräten suchend, Kleine Katzen wimmernd nach Milch. Ich fühle mich schlecht weil ich wütend bin weil die schönsten Hunde der Welt hier in Patras warten. Sie schwenken imaginäre bunte Fähnchen herum, um auf sich aufmerksam zu machen, sie rufen, sie jammern, sie winseln: Aber niemand holt sie ab. Sie sind allein. Sie werden gequält, benutzt und ausgesetzt, vergessen.

Aus den Gedanken gerissen, klingelt das Telefon meiner Freundin. Jemand hat gerade eine Hündin mit 7 Welpen ausgesetzt. Aus dem Auto geschmissen wie eine Tüte Müll. Sofort eilt sie los um Futter zu besorgen. Eigentlich hatte sie gerade Feierabend nach einem 12 Stunden Tag. Und das Rad dreht sich weiter. Und weiter. Tag für Tag. In Patras.

Ich möchte Danke sagen.
An Renate Düser (wie lange Du das schon machst mit Leib und Herzblut obwohl es so oft mehr zum Weinen als zum Lachen ist, ich bewundere Dich sehr!), Ada ( ein Herz auf 2 Beinen Frau Dr Doolittle!!), Annamaria (ein unermüdliches freundliches Wesen mit einem 24 Stunden Tag) Julia (Danke Danke Danke meine Liebe) Margerita (gibt jedem !! eine Chance auch Wesen mit hinterherschleifenden Beinchen – Du bist großartig) (Vicky 70 Hunde !!! wie machst Du das nur, Danke!…..) und an das gesamte Team von Patras Hunde….

Facebookbetreuern, e mails Beantwortern und allen natürlich allen Adoptanten.            Wir dürfen nicht aufhören an das Gute im Menschen zu glauben.

Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund. Hildegard von Bingen.

A  D  O  P  T   DON’T   S  H  O  P.

R.Schild